Jun 21, 2015

Essen im dunkeln

Am vergangenen Sonntag, haben mein Mann und ich etwas völlig Neues für uns ausprobiert: Essen in kompletter Dunkelheit. Wir sind ins Restaurant unsicht-Bar im Schanzenviertel gegangen.
 
 
Am Anfang wussten wir nicht, was uns dort erwartet. Wir waren dort mit einem Groupon Gutschein für ein Überraschungs-4-Gänge-Menü. Wir wurden von einer sehr freundlichen Dame empfangen, die uns erklärt hat, wie das ganze Konzept funktioniert. Im Restaurant bieten sie nicht nur das Überraschungsmenü an, welches sich zweimal jährlich ändert, sondern auch Fisch-, Lamm-, Geflügel-, Käse- und vegetarische 4-Gänge-Menüs. Die Menüs sind vorgegeben und nicht im Detail beschrieben so, dass sie eine kleine Überraschung für die Gäste sind. Aber keine Angst, ihr werdet am Anfang gefragt, ob es Lebensmittel gibt, gegen sie ihr allergisch seid oder die ihr nicht gerne esst und die Gerichte werden dann entsprechend angepasst.
 
Nachdem wir unsere Jacken in der Garderobe gelassen haben und Getränke bestellt haben, wurden wir in den dunklen Raum eskortiert. Vor dem dunklen Raum gibt es einen kleinen Flur mit zwei Türen, eine Tür nach draußen und eine zu dem dunklen Raum. Die Tür zu dem dunklen Raum wird erst geöffnet nachdem die Tür nach außen geschlossen ist. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass im dem eigentlichen Restaurant zu jeder Zeit völlige Dunkelheit herrscht. Auch die Gäste werden gebeten ihre Handys auszuschalten und ihre Uhren oder jede andere Lichtquelle zu verstauen.
 
Im Flur haben wir unser Kellner für den Abend kennengelernt. Mit 7% verbliebener Sehkraft ist er fast komplett blind. Er war auch wirklich sehr nett und freundlich den ganzen Abend. Und es war faszinierend zu erleben, wie er sich und uns durch den dunklen Raum zwischen den Tischen mühelos bewegt hat und wie er ganz genau wusste, wo die Teller und Gläser zu platzieren sind.
 
Wir gingen in den dunklen Raum in einer Polonäse, einer hinter dem anderen, mit einer Hand auf die Schulter der Person vor uns. Unser Kellner war an der Spitze der Schlange und hat uns durch den Raum geführt. Während wir uns in einer Linie zwischen den Tischen in völliger Dunkelheit bewegt haben, fühlte ich mich unsicher und unfähig, mich im Raum zu orientieren, aber sobald ich an unserem Tisch gesessen habe und der Kellner uns erklärt hatte, wo unser Besteck positioniert war, war ich in der Lage mich zu entspannen. Das machte mir klar, wie sehr ich von meinen Augen in meinem täglichen Leben abhängig bin und gab mir einen kleinen Einblick, was es bedeutet, sich nur auf die anderen 4 Sinne verlassen zu können, um die einfachsten Dinge wie Gehen machen zu können.
 
Mein Mann und ich saßen an einem langen Tisch für 8 Personen mit jeweils einem weiteren Paar auf unserer linken und rechten Seite. In der Regel sitze ich in einem Restaurant lieber an einem separaten Tisch, hier aber fand ich es schön neben anderen Menschen zu sitzen, weil man miteinander reden kann und zusammen erraten kann, was jeder isst. Es ist auch sehr interessant zu beobachten, wie verschiedene Menschen das Essen im Dunkeln völlig anders erleben.
 
Das Essen selbst war gut, aber ich werde euch nicht verraten, was wir genau gegessen haben, falls einige von euch auch zum Restaurant unsicht-Bar gehen wollen. Ich kann euch aber sagen, dass es einfacher für mich war, im Dunkeln zu essen, als ich dachte. Ich hatte bei der Suppe Angst, dass ich alles über mich schütten würde und mich verbrenne, aber irgendwie wusste ich schon ab dem ersten Schluck ganz genau, wie hoch ich den Löffel bringen musste und wo ich meinen Kopf positionieren sollte. Das einzige, das mir schwer fiel war mit Messer und Gabel zu essen. Im Gegensatz zu meinem Mann, der recht diszipliniert war und es geschafft hat, nur mit Messer und Gabel zu essen, musste ich gelegentlich auch meine Finger benutzen.
 
Es war interessant, zu spüren, wie meine anderen 4 Sinne verstärkt wurden, weil ich nicht meine Augen verwenden konnte. Der Geschmack der Speisen war intensiver, die Gerüche von dem Essen waren stärker, ich konnte die Struktur des Essens besser spüren und ich hörte die anderen Gäste im Restaurant viel lauter, als ich sie in einem normalen Restaurant wahrnehmen würde.
 
Die ganze Erfahrung hat eine Menge Spaß gemacht. Ich fand es toll, dass wir nicht wussten, was wir aßen. Es war wirklich lustig zu erraten, aus was jede Mahlzeit bestand. Es gab ein paar Dinge, die ich nicht raus bekommen konnte und die ich erst später erkannte, als die Dame, die uns am Anfang begrüßte, uns im Anschluss, außerhalb des dunklen Raumes, das gesamte Menü zeigte.

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